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432km 6200 hm
Durchmachtraining – oder: „Ein Grind zeugen ist ja einfach, aber es ordentlich groß zu ziehen..“ ihr wißt schon. Am Besten man plant erstmal mit einer ordentlichen Portion Selbstüberschätzung: 24 Stunden, 500km / 6000hm / 3-4 deutsche Mittelgebirge. Straßenverkehr vermeiden, gewünscht sind Nebenstrecken, Schotter, Trails, ruhige Radwege.
Samstagmorgen mit leicht Partyschädel im Bett entstand spontan die Planung auf dem Tool brouter.de mit dem Trekking Profil (ideales Gravel Profil btw.) Ein paar Waypoints auf den anzufahrenden Gipfeln: Rhön: Feuerberg, Kreuzberg, Heidelstein, Hochrhönstraße, Wasserkuppe. Vogelsberg: Hoherodskopf. Taunus: Feldberg, Platte, Hohe Wurzel. Uiuiui, Höhenmeter passt, aber noch zu kurz. Also einen Bogen gezogen nach Aschaffenburg, um die Nachtfahrt im dunklen Bauch des Spessarts in den Flusstälern Lohr, Main und Sinn hochzujuckeln, damit das Grind dann im Morgengrauen in der Rhön geboren wird und gleich mit einer ordentlichen Wachstumsphase ins Leben starten kann.
Nach einem schwülen Gammelnachmittag im Gärtle gings also um 17 Uhr los, keckerweise gleich mit einem lauwarmen Nachmittagsbier im Kopf (whatthefuck?!) Der Track trieb mich in die monotonste Waldlandschaft Hessens, südlich des Flughafen, direkt in die Ausläufer einer Gewitterfront. 2 Stunden Regen, Sandschlamm, stieres Geradeausdemmeln.
„Was zu einem richtigen Grind nicht dazugehört #1: Nass werden und trotzdem nicht frieren.“
Podcasts sei Dank konnte ich mich mit einer Zweitbeschäftigung bei Laune halten und mich ansonsten auf meine mit 90% treten Regel konzentrieren. Ihr wisst schon, nicht 100, nicht 80.
Nach dem Regen und ein paar unschönen Erlebnissen mit gesperrten Mainbrücken gabs fette Pasta Carbonara in Aschaffenburg. Der auch radfahrerfahrene italienische Gastwirt gab mir mitleidig kopfschüttelnd noch eine große Handvoll Maoam mit und meinte, in Lohr gäbe es fei viele Hotels. Im Abendgrauen dann der erste Berg, vor Heigenbrücken. Was für eine Erlösung, endlich ein Projekt, nicht mehr dieses stiere gradaus.
Spektakulär dann ab ca. 23:00 das Lohrtal, mit leichtem Restlicht im Himmel und Nebel zwischen den Fichten.
Die Nacht ging insgesamt ganz gut durch Lohrtal, Maintal, Sinntal. 4x hab ich gezielt Friedhöfe angesteuert um Wasser zu tanken, 8x bin ich an Partys oder Dorffesten vorbeigefahren (der Socialarkward in mir wollte aber weder anhalten, noch ein einziges Wort mit Besoffenen wechseln) Die Orte Mittelsinn, Burgsinn und Obersinn hatten in mir noch nicht die Sinnfrage ausgelöst, allerdings der wiederum sehr stiere Bahnradweg bei Bad Brückenau dann schon, hier hatte ich um halb 3:00 auch mein erstes Tief.
Da die Klamotten immer noch nass waren und ich meinen iPod Classic in der Hosentasche in eine Mülltüte gepackt hatte, zeigte sich auch langsam zum ersten Mal das Grind: ein 100 cm^2 Pflatschen Nesselquaddel auf dem linken Oberschenkel, ausgelöst durch ständige Reibung, Nässe, Sand und Luftabschluss.
Und das Timing war perfekt: um 3:00 am Fuße der Rhön, halbe Stunde Zeit zum verarzten, Riegel essen, Schuhe aus und abhängen.
Um halb 4 dann Dämmerlicht, auf zum Würzburger Haus, mittlerweile auch ohne Lampe machbar. Spektakuläre Sicht auf die Nebelverhangenen Gipfel im leider nicht begehbaren Kriegswaffenspielplatz Wildflecken. Weiter zum Feuerberg, ich freue mich, diese Strecke auch mal mit Licht zu fahren. Neulich beim MFG war ich hier ja im Dunkeln unterwegs gewesen.
Der Kreuzberg war nochmal heftig, ich hatte da wohl eine steile Trailvariante gewählt. In Oberweissenbrunn dann „tada“ ein Brunnen. Thumbs up, kein versicherungsobligatorisches Schild „kein Trinkwasser“. Weiter über Schwedenschanze nach Hessen. Ob das Wetter hält? Überm Grabfeld hingen sehr dunkle Wolken. Aber da klangen noch die klugen Worte meiner Mutter aus der Kindheit in den Ohren „Schwedenschanze ist ne Wetterscheide, Bayrische Seite hat immer anderes Wetter wie die Hessische“.
Rotes Moor, dann die große Entscheidung: rüber zum Heidelstein und nochmal die komplette lange Rhön mitnehmen? Oder direkt weiter auf die Wasserkuppe?
„Was zu einem richtigen Grind nicht dazugehört #2: Zwischenhalt in Fulda bei den Schwiegereltern mit einem riesen mega Frühstück und einer luxuriösen Hygieneopportunität.“
Da Frühstück mit Family schon abgesprochen war, entschied ich mich für die kurze Rhönetappe, sonst wäre aus dem Frühstück ein Mittagessen geworden und meiner, sowie 3 andere Tagespläne aus dem Ruder gelaufen.
halb 8 auf der Wasserkuppe.. endlich Sonne auf dem Rücken. Völlig leer dieser Berg, zum erstem Mal, daß ich da überhaupt niemanden sah. Schnell runter nach Poppenhausen und beim Pappert 2 süsse Teilchen, halb 9 dann in Fulda und 1 1/2 Stunden ausgiebig auf der Sonnenterasse essen.
Zum Vogelsberg hoch ging es relativ unspektakulär, nur daß teilweise schon heftig die Sonne am Reinhauen war. Auf dem Hoherodskopf war mittags das Halligalli, was ich eigentlich von der Wasserkuppe kenne.. schnell ne Cola und ne Wurst und weg… dann der Nidda Radweg. Uiuiui, viele EBike Rentner und Kiddies.. nicht gerade kompatibel mit ner stumpf durchdemmelnden endurance Lok. Aber die Straßen waren auch scheisse voll.
Die Traverse durch die Ebene südlich Friedberg war dann schon gscheit heiss, so ohne Wald. Das Stück Rösbach-Köppern-Lochmühle mit der A5 als großes Hindernis war dann richtig Scheisse, ich hab mir das schonmal von nem halben Jahr in Gegenrichtung gegeben, zum 3. Mal mach ich den Fehler nicht. Zuviel Verkehrsaufkommen und beim Einstig in den Taunus der beschissenste Radweg ever, völlig verrumpelt und direkt neben der absurd vollen Straße. Hier hatte ich meinen ersten und einzigen großen innerlichen Wutanfall. Die 3 Snickers Eis von der Rosbacher Tanke hatten das nicht verhindern können.
Das Grind ist also schon recht groß gewachsen und kommt in einen neue Phase: bei 18% Steigung hinter der Lochmühle erstmal die miese Laune im Schotter vergraben und dann ab Saalburgpass den sehr schönen Aufstieg richtung Sandplacken. Ein Rennrad überholt mich. wtf?
1km später überhole ich, es wird verschotterter. Wie kommt der mit diesen Reifen überhaupt hier durch? Irgendwas schleift bei ihm, aber er tritt weiter und will nicht mit mir drüber reden.. na gut, ich zieh vorbei. 1 km vorm Sandplacken hat wer nen Platten? Ich.
Es stellt sich raus, daß der WTB Riddler ein mieser Scheißdrecksreifen ist. Hat mich immer wieder im Wiegetritt schön oft durchrauschen lassen und jetzt das: Bissl Basaltschotter und schon ein Riss in der Seitenwand. Ich will zurück zum Nano!
Erster Versuch mit der Dichtwurst klappt bis Sandplacken, dann muss ich nochmal nachstecken. Feldbergclimp hält. Aber oben in der Applauskurve pfeifts und die Milch spritzt. Ich stecke nochmal das größte Stück wurst nach, was ich habe und kleb noch ein Stück Gaffa drüber.
Long story Short: der Reifen hält bis nach Hause, trotz Schotter und Trails. Ich nehm noch die Platte und den Schläferskopf mit, um nicht durch die Stadt zu müssen und komme nach 28 Stunden relativ fit an. Zuhause wartet ein riesen Risotto auf mich.
Das Grind ist halbwegs ausgewachsen, ich kann loslassen.